Edirne und seine Sehenswürdigkeiten
Edirne, früher Hadrianopolis, war einstmals die Hauptstadt des gewaltigen Osmanischen Reiches. Viele Sehenswürdigkeiten zeugen von Geschichte, Reichtum und Macht der ehemaligen Metropole. Hier trafen Bulgarien, Griechenland und die Türkei aufeinander. Hier reichte der Orient Europa die Hand.
Die Wurzeln reichen bis ins 5. Jahrtausend vor Christus. In der Antike wurde das Gebiet von den Römern besetzt. Der Name geht auf Kaiser Hadrian zurück, der der Stadt 125 nach Christus zu neuer Bedeutung verhalf. 378 nach Christus kam es zur legendären Schlacht von Adrianopel, in der die Römer eine empfindliche Niederlage gegenüber den Westgoten erlitten. Während des Mittelalters ein bedeutendes, viel umkämpftes Zentrum des byzantinischen Reiches kam die Stadt 813 unter Khan Krum an die Bulgaren, bis sie 1362 von den Osmanen erobert wurde.
Im 19. Jahrhundert war Edirne eines der Zentren der bulgarisch-katholischen Kirche. Nach den Balkankriegen fiel es zunächst an die Türkei, am Ende des Ersten Weltkrieges an Griechenland. Der Vertrag von Lausanne sprach Edirne 1923 endgültig der Türkei zu.
Die Selimiye-Moschee
Schon aus der Ferne sind die vier, über 70 Meter hohen Minarette des monumentalen Baukomplexes zu sehen. Die im Stadtzentrum gelegene Moschee gilt als das Wahrzeichen von Edirne. Im Auftrag des Sultans Selim II. schuf der schon damals berühmte Architekt Sinan 1568–1575 dieses Symbol osmanischer Sakralkultur an genau der Stelle, an der einst der Palast der Osmanen stand. Der achtzigjährige Baumeister ließ all seine Erfahrungen in den Bau einfließen und errichtete sein, sowohl gestalterisch als auch bautechnisch, einmaliges „Meisterwerk“:
Nicht weniger als 2475 Quadratmeter umfasst der zentrale Steinbau. Die Moschee ist über 43 Meter hoch, die auf acht gewaltigen Säulen ruhende Kuppel hat einen Durchmesser von über 31 Metern. Gebetsnische und Kanzel sind aus feinstem Marmor, die Wände sind mit Iznik-Fayencen bedeckt, Elfenbeinintarsien und feinste Holzschnitzarbeiten ziehen Besucher in ihren Bann.
Das Innere und das Äußere des Baus sind perfekt aufeinander bezogen. Sinan schuf damit ein neues Raumverständnis, das statische Anforderungen exzellent mit schöpferisch-geistigen Ansprüchen verband. Bautechnisch ist das Werk in seiner Zeit singulär.
Die Selimiye-Moschee gehört zu den bedeutendsten Werken der osmanischen Kunst- und Architekturgeschichte und gilt international als eine der schönsten Moscheen vormoderner Zeit.
Die Rüstem-Pascha-Karawanserei
Das an der Kreuzung wichtiger Straßen und am Fluss Tundscha gelegene Edirne war eine prosperierende Handelsstadt. Hier trafen Morgen- und Abendland aufeinander. Händler aus aller Welt kamen zusammen. Diamanten, Schmuck, vor allem aber auch Textilien, u. a. Seide, und Lederwaren wurden gehandelt, das kostbare Rosenöl konnte erworben werden. Aus Westanatolien, der Ägäis und Ägypten kamen Gerste, Mais und Weizen. Selbst aus dem Iran besuchten Kaufleute Edirne.
Zur Unterbringung wurden Karawansereien errichtet. Der Großwesir Süleymans des Prächtigen, Rüstem Pascha, gab die später nach ihm benannte Herberge in Auftrag. Der berühmte Baumeister Sinan wurde mit der Ausführung betraut.
Um 1554 entstand der beeindruckende, zentral gelegene Handelshof. Einundzwanzig Geschäfte, über einhundert Räume, ein Hamam, eine Brunnenanlage und ein Mescit, eine kleine Moschee, im Innenhof standen für die Gäste bereit.
Über Jahrhunderte war die Rüstem-Pascha-Karawanserei für den Handel mit Seidenkokons bekannt.
Karawansereien, wie zum Beispiel auch die etwas später entstandene Ekmekçioğlu-Ahmed-Pascha-Karawanserei, prägten das Leben in Edirne.
Mit dem Niedergang der Stadt verwaisten auch die Handelshöfe.
1972 wurde die Rüstem-Pascha-Anlage umfassend saniert und beherbergt heute einen modernen, architektonisch reizvollen Hotelkomplex.
Die alten Basare
Die legendären Marktplätze Edirnes haben an Glanz verloren. Einst blühte hier der Handel. Kostbarkeiten wechselten den Besitzer. Händler aus Frankreich und Venedig kauften Wolle und Seide. Das kostbare Rosenöl war schon damals wichtiger und begehrter Bestandteil vieler an europäischen Fürstenhöfen geschätzten Schönheitscremes und Duftwässer. Goldschmiede und Juwelenhändler boten ihre Waren an. Orientalische Lederarbeiten waren beliebt.
Ergänzt wurde das Angebot durch ein buntes Sortiment an Kulinarischem, lokalen Handwerkserzeugnissen und das Treiben in den Tavernen.
Ein Abglanz davon findet sich heute noch. Wenn auch gewandelt, so strahlen die traditionsreichen, zentral gelegenen Marktplätze doch etwas von der Pracht jener vergangenen Zeit aus.
Als ältester Basar ist der Bedesten Basar erhalten, der im Jahr 1418 gebaut wurde. Der Markt, aus weißen und roten Steinen erbaut, umfasst eine Reihe von Läden im äußeren Bereich und sechs Räume im inneren.
Der Ali Pascha Basar mit 130 Läden und der Arasta Basar mit 124 Räumen wurden beide von ebenjenem Sinan erbaut, der auch die Selimiye-Moschee errichtete. Heute finden sich hier Waren des täglichen Bedarfs, Obst, Gemüse und diverse aromatisierte Seifen, die von Touristen als Souvenirs geschätzt werden.
Bulgarische Kirchen
Lediglich zwei Kirchen zeugen noch von der bedeutenden bulgarisch-orthodoxen Gemeinde, die einmal in Edirne zu Hause war und diverse Schulen und Kirchen unterhielt. Die meisten Bauwerke wurden im Zuge der Balkankriege und ihrer Folgen vernichtet.
Die Georgskirche aus dem Jahr 1880 spiegelt die Architektur der Zeit der bulgarischen Wiedergeburt. Der Innenraum der dreischiffigen Basilika ist reich mit Ikonen und kostbaren Holzschnitzarbeiten geschmückt.
Mit der Vertreibung der Bulgaren im Ergebnis des Zweiten Balkankrieges verfiel die Kirche. 1951 wurde sie geschlossen. Das 21. Jahrhundert brachte als ein Zeichen der Versöhnung eine umfassende Sanierung der Kirche, die seit 2004 wieder genutzt werden kann. Ein kleines Museum widmet sich der Geschichte der Bulgaren von Edirne. Die Heilige-Konstantin-und-Helena-Kirche stammt aus dem Jahr 1869. In ihrer Bauweise ist sie ebenfalls der Architektur der bulgarischen Wiedergeburt verpflichtet. Auch sie verfiel nach der Vertreibung der Gemeinde, wurde mehrfach geplündert und angezündet.
Nach einer Einigung zwischen türkischen und bulgarischen Politikern konnte das Gotteshaus 2008 nach grundlegenden Restaurierungsarbeiten wieder geweiht werden. Heute erstrahlt die nach alten Fotografien außen wie innen rekonstruierte Kirche im alten Glanz. Im Hof der Kirche findet sich ein Denkmal des ersten bulgarischen Exarchen Anthim I.
Der Sultan-Bayezit-II-Külliyesi-Komplex
Eine der meistbesuchten Sehenswürdigkeiten Edirnes ist der etwa zwei Kilometer außerhalb der Stadt am Ufer der Maritza gelegene Sultan-Bayezit-II-Moscheenkomplex mit seinen knapp einhundert kleineren und größeren Kuppelbauten.
Um die Moschee mit zwei Minaretten gruppieren sich eine Darüşşifa (eine Art Krankenhaus), eine Medizinschule, eine Armenküche, ein Hamam, eine Druckerei sowie diverse Wirtschaftsgebäude. Sultan Bayezit II. ließ die Anlage 1484 bis 1488 nach Vorgaben des Baumeisters Hayreddin errichten. Vierhundert Jahre lang wurde die Darüşşifa betrieben. Erst 1878, nach dem Russisch-türkischen Krieg, wurde die Einrichtung geschlossen. Das Krankenhaus war für seine Therapien berühmt. Psychische Kranke wurden hier mit Musikklängen und Düften behandelt. Seit 1916 verfielen die Gebäude. Heute wird der Komplex von der Trakya-Universität betreut.
Die ehemalige Darüşşifa beheimatet ein Museum zur Geschichte der Medizin und zu allgemeinen Gesundheitsfragen. Seit 1997 ist das Haus für den allgemeinen Publikumsverkehr geöffnet. Dabei wird ein besonderes Konzept verfolgt: Das Krankenhaus ist als „lebendiges Museum“ gestaltet. Der Besucher erlebt die Räume, in denen Patienten behandelt wurden, hört die Klänge der Wasserspiele und die Musik, die in alten Zeiten den ganzen Tag vorgetragen wurde. Er erfährt so an sich selbst die vor über 500 Jahren entwickelten Therapieansätze.
Die Brücken von Edirne
Zahlreiche historische Brücken führen über Tundscha (Maritza) und Meriç. Sie erzählen ihre ganz eigene Geschichte. Zu den bekanntesten zählen die folgenden. Am ältesten ist die 1451 erbaute Saraçhane-Brücke, die auch Sahabettin-Pascha-Brücke genannt wird. Die 120 Meter lange und 5 Meter breite Steinbogenbrücke dient als Verbindung zwischen der Stadt und dem Palast.
Die Fatih-Brücke wurde 1452 unter Mehmed dem Eroberer gebaut. Daher stammt auch der Beiname „Eroberer-Brücke“. Sie verbindet die Palastgarteninsel mit dem alten Sultanspalast. Später führte sie zum Adalet Kasri, dem Turm der Gerechtigkeit, der 1561 erbaut wurde und heute noch besichtigt werden kann. Dieser Wasserturm war auch Sitz des Ministerrates sowie des Kassationsgerichtes. Auf einem Stein vor dem Eingang wurden die Köpfe Hingerichteter zur Schau gestellt.
Die nach Sultan Bayezid II. benannte Bayezid-Brücke verbindet den Sultan-Bayezit-II-Komplex mit der Stadt. 1488 erbaute Hayreddin, der auch die gesamte Anlage entwarf, die Brücke, die in sechs Bögen den Tundscha überspannt.
1567 kam die von Baumeister Sinan errichtete einbögige Yalnizgoz-Brücke hinzu, die über den anderen Arm des Flusses führt.
Aufgabe der 1554 fertiggestellten Kanuni-Brücke war ebenfalls die Verbindung von Stadt und altem Palast. Der Name der Brücke geht auf ihren Auftraggeber zurück: Sultan Süleyman der Gesetzgeber heißt im Türkischen Kanuni Sultan Süleyman. Kein anderer als wiederum Baumeister Sinan errichtete die 65 Meter lange, vierbögige Brücke. Bis heute führt der Fernverkehr nach Griechenland über die Ekmekcioglu-Ahmet-Pascha-Brücke, die den Tundscha seit 1615 überspannt.
Die Große Synagoge von Edirne
Edirne war als bedeutendes Handelszentrum Schnittpunkt europäischer und orientalischer Lebensart. Das spiegelte sich auch in der Bevölkerung wider. Ende des 19. Jahrhunderts lebten in der Stadt Muslime, Griechen, Armenier, Bulgaren und Juden, die eine reiche kulturelle Betriebsamkeit entfalteten.
Staatliche Toleranz ermöglichte den Aufbau eigener Bildungseinrichtungen und Sakralbauten, die die Gemeinden selbst finanzierten. 1905 waren durch einen Brand sämtliche dreizehn Synagogen der Stadt zerstört worden. 1907 wurde die Große Synagoge neu errichtet. Vorbild war der Leopoldstädter Tempel in Wien. Die Nähe zu Europa war den sephardischen Juden wichtig. Auch andere Synagogen wurden neu erbaut. Durch Kriege und Vertreibungen ging die Anzahl der Gemeindemitglieder zurück. Die Synagogen verwaisten. 1969 gab es nur noch die Große Synagoge, die noch bis 1983 genutzt wurde. Heute gibt es Pläne zu einer umfassenden Sanierung und zur Erhaltung des Baus.
In Edirne trafen Orient und Okzident zusammen. Die wechselvolle Geschichte spiegelt sich bis heute im Stadtbild. Die Moscheen und Kirchen erzählen von religiösem Streit, von Bemühungen um Selbstbehauptung und Autonomie. Türken, Griechen, Bulgaren, Juden und Armenier bevölkerten einst die Straßen der Stadt. Bis in die Gegenwart reichen die Spuren der Antike. Noch heute führt die Römisch-Katholische Kirche das ehemalige Erzbistum Hadrianopolis in Haemimonto als Titularbistum. Nur zwei bulgarisch-orthodoxe Kirchen sind erhalten. 1983 schloss die letzte Synagoge ihre Pforten, eine aktive jüdische Gemeinde gibt es heute nicht mehr. Das rege Treiben der armenischen Händler und Handwerker ist verschwunden.
Doch die Architektur erinnert an die Völkerschaften, die Edirne einst bewohnten und mit ihren kulturellen Besonderheiten bereicherten. Im Osmanischen Reich galt Edirne als „Stadt der Feste“ und „Glückstor“. Noch heute kann man dies beim Anblick der Moscheen, Basare und Brücken nachempfinden.